Zebizebizebizeba
STEYR, VOLKSSTRASSE. Zebizebizebizeba. Hu, ha, palawatsch. Pfitschigo, pfitischigo. Go, go, go. Pfitschigo, pfitischigo. Go, go, go. Ein Hoch der Vorwärts. Ein Hoch der Vorwärts. Und allen Ihren Fans. Und allen Ihren Fans. A Wossa, Wossa. A Wossa, Wossa. Dem/r/den ___[1]. Allez. Allez. Alez, allez, allez. Immer wieder Vorwärts …
Der SK Vorwärts Steyr feierte am 14. April 2019 seinen 100. Geburtstag. Zumindest 40 Jahre alt ist der Fan-Gesang „Zebizeba“. Der Wechselgesang wird vermutlich auf keinem anderen Fußballplatz der Welt angestimmt. Woher der eigentümliche Chant stammt, das können selbst die Autoren des Jubiläumsbuchs, die zum Teil seit den 70er-Jahren Fans des Vereins sind, nicht beantworten. Das „Zebizeba“ ist zu einem launigen und sympathischen Alleinstellungsmerkmal der Fußballfreunde in der alten Eisenstadt Steyr geworden: „Wer auf ‚Zebizebizebizebizeba’ mit ‚Hu ha palawatsch’ antwortet, der kann über sich selbst lachen. Wer auf eine ‚Pfitschigo’ mit ‚Go, go, go’ antwortet, der kann kein Böser sein“, schreiben die Autoren im Vorwort.
Alle Spiele und alle Spieler aus 100 Jahren Vereinsgeschichte
Auf 432 Seiten zeichnen die Autoren in 13 chronologischen Kapiteln die wechselhafte Geschichte des SK Vorwärts Steyr nach. Beginnend mit der Gründung im April 1919 im Casino Steyr. Die Gründungsmitglieder vermeldeten damals der Stadtregierung, sie hätten „vielleicht einem Temperament gehorchend oder angelockt von der Volkstümlichkeit dieses Sportzweiges“ kurzerhand einen Fußballverein gegründet.
Der Chronologie mit unzähligen Fotos und Dokumenten folgt eine Auflistung aller Pflichtspiele der 100 Jahre, aller Tabellen und eine alphabetische Liste sämtlicher Spieler, die in der Kampfmannschaft bei Pflichtspielen zum Einsatz kamen. Darunter finden sich österreichische Legenden wie Hans Eigenstiller und Rudi Strittich, Peter Stöger, Daniel Madlener, der Weltstar Oleg Blochin – und mit Gerald Hackl sogar der amtierende Bürgermeister der Stadt Steyr. Den herausragendsten Spielen und Spielern wurden in dem Buch Extra-Seiten gewidmet.
Innerhalb von fünf Jahren: Triumph in Frankfurt, Crash und Neustart in Kleinreifling
Wie wechselhaft die Geschichte ist, zeigen die Seiten 270 bis 310. Im Juni 1995 siegt der SK Vorwärts im UI-Cup im Frankfurter Waldstadion gegen Eintracht sensationell mit 2:1. Sechs Jahre später freuen sich die Fans über ein 2:2 am Rande eines Waldes, in Kleinreifling. Es war das erste Spiel nach dem Crash im Jahr 2000. Der SK Vorwärts beginnt im Jahr 2001 neu in der 2. Klasse Ost, der achthöchsten und damit untersten Liga des Landes.
Ein Arbeiterverein, der die Geschichte der Stadt widerspiegelt
Zurück zu den Anfangsjahren: Der SK Vorwärts ist ein klassischer Arbeiterverein seiner Zeit. Name und Farbe des Vereins spiegeln im Jahr 1919 proletarisches Selbstbewusstsein und Klassenbewusstsein in der Arbeiterstadt Steyr wider. Sport ist Politik zu jener Zeit und der SK Vorwärts spätestens seit den 20er-Jahren in dessen Strudel. Es ist aus damaliger Sicht selbstverständlich, dass sich der Verein im Jahr 1926 vom bürgerlichen Ligaverband trennt und sich dem VAFÖ (Freie Vereinigung der Amateur-Fußballvereine Österreichs) anschließt. Die bürgerlichen Medien in Stadt und Land ignorieren ab diesem Zeitpunkt den SK Vorwärts und veröffentlichen nicht einmal mehr die Spielergebnisse.
Im Jahr 1934 ist Steyr eine der Städte, in denen der republikanische Schutzbund und das Bundesheer mit Heimwehrverbänden aufeinander schießen. Ein Nebenschauplatz der Februarkämpfe ist die Spielstädte des SK Vorwärts: Das Vermögen des Vereins wird beschlagnahmt, die Spielstädte wird dem Stadtrivalen Amateure Steyr zugesprochen, der bereits vier Jahre lang in der bürgerlichen Liga spielt.
Der „Vorwärtsplatz“: Kultground und einer der am längsten bespielten Plätze des Landes
Seit dem Jahr 1935 hat der Verein in der zentrumsnahen Volksstraße seine Heimat. Das nunmehrige Vorwärts-Stadion ist somit eine der am längsten bespielten Fußballstätten Österreichs. Im Jahr 1949 feiert der Verein seinen bisher größten Erfolg: Der SK Vorwärts erreicht das Finale im österreichischen Cup. Das Endspiel gegen Austria Wien im Praterstadion geht zwar mit 2:5 verloren, der SK Vorwärts ist aber einer der wenigen Bundesländervereine, die in der folgenden Saison an der neu gegründeten Staatsliga teilnehmen dürfen.
Oleg Blochin bringt Steyr internationale Schlagzeilen
37 Jahre später machen der Verein und die Stadt mit der Verpflichtung des Dynamo Kiew-Stars Oleg Blochin international Schlagzeilen. Der sowjetische Internationale schießt den SK Vorwärts erneut in die 1. Bundesliga. Dort halten sich die Steyrer neun Saisonen lang, während derer der Verein stetig an Substanz und Seriosität verliert. In der Saison 1995/96 schreibt der Verein erneut Geschichte. In 36 Runden gelingt der Mannschaft kein einziger Sieg. Zwei Jahre später kehrt man nach einem Gezerre und Groteske um die Lizenz nur nach einem Gnadenakt und mit drei Minuspunkten im Rucksack als Mahnung ein vorerst letztes Mal in Österreichs höchste Spielklasse zurück und steigt postwendend ab. Im Winter 2000 wird Vorwärts Steyr von der Bundesliga während der Meisterschaft die Lizenz entzogen. Eineinhalb Jahre existiert der Verein nur auf dem Papier.
Ein Lebenszeichen: 7.000 Zuschauer im oberösterreichischen Fußballunterhaus
Der Wiederbeginn in der 2. Klasse Ost ist der Beginn eines österreichischen Fußballmärchens. Der Verein arbeitet sich Liga für Liga hoch, die Fans sorgen für Rekordbesuche und Bundesligastimmung in den untersten Ligen. Im Jahr 2005 feiern 5.000 Zuschauer ein meisterschaftsentscheidendes 2:0 gegen den ASK St. Valentin – in der 1. Klasse Ost. Zwei Jahre später weinen 7.000 Zuschauer beim 1:1 gegen Weißkirchen im entscheidenden Heimspiel der Landesliga Ost über den vergebenen Meistertitel. Im Jahr 2011 gelingt der Aufstieg in die Regionalliga. Im Jahr 2018 kehrt der SK Vorwärts – dank der Ligareform und zur Überraschung aller Beteiligten – in die 2. Bundesliga zurück. Der Verein lässt sich auf keine finanziellen Abenteuer ein und bestreitet die Meisterschaft mit einer Amateurtruppe. Die Mannschaft wird Letzter, der Fußballgott zeigt sich zum 100. Geburtstag aber gnädig. Dank glücklicher Umstände und des Unglücks anderer Vereine darf der SK Vorwärts auch in der kommenden Saison in der zweiten Liga mitspielen.
Die Geschichte neben der Geschichte
Der Chronik des SK Vorwärts wird in den Marginalien des Buchs eine Chronik der Stadt Steyr gegenübergestellt. So erfährt der Leser beim Durchblättern, dass die Steyrer – im Gegensatz zu Gesamtösterreich – bei der Volksabstimmung zum Atomkraftwerk Zwentendorf im Jahr 1978 mit einer satten Mehrheit für dessen Inbetriebnahme stimmten – und dass Fußball mitunter Nebensache ist. Im Jahr 1932 feierte der SK Vorwärts beachtliche Erfolge, während die Stadt und deren Bewohner am Boden lagen. Im Jänner dieses Jahres erschien eine Reportage des Wiener Journalisten Hans Habe mit dem Namen „Die Hölle von Steyr“. Die Schilderungen über das Elend der hungernden und frierenden Bevölkerung in der bankrotten Stadt ging um die Welt und sorgten für internationale Hilfsaktionen für die verarmten Steyrer.
Und dass bereits im Jahr 1967 Pläne für einen Lift auf den Stadtteil Tabor präsentiert wurden, mag heute manchen zum Schmunzeln bringen. Mit den Arbeiten dafür wurde nämlich heuer – und damit gut ein halbes Jahrhundert später begonnen.
Zebizeba – 100 Jahre SK Vorwärts Steyr
Stefan Rosinger (Herausgeber), Robert Hofer, Christian Kreil, Harald Minoth, Michael Stockinger (Autoren)
432 Seiten, 34,90 Euro, Klappenbroschur, Format: 25,6 x 24,4 cm ISBN 978-3-7095-0098-9 | Ennsthaler Verlag | www.ennsthaler.at